Schienbeinkantensyndrom Laufstil verbessern

Schienbeinkantensyndrom
Laufstil verbessern

Schienbeinkantensyndrom und Laufstil – Was hat das mit deinen Schienbeinschmerzen zu tun?

Dein Laufstil hat direkten Einfluss darauf, wie die Strukturen (Muskeln, Bänder, Knochen, etc. im Schienbein) deines Körpers belastet werden. Somit steht dein Laufstil natürlich auch in direktem Zusammenhang mit der Belastung des Schienbeinknochens (Tibia) und der Unterschenkelmuskulatur. Dadurch hat dein Laufstil/deine Lauftechnik einen Einfluss auf die Entwicklung eines Schienbeinkantensyndroms (Synonym: Shin Splint).

Es gibt sehr viele Möglichkeiten, wie du deinen Laufstil positiv (oder auch negativ) verändern kannst in Bezug auf die Belastung des Schienbeines. Ich möchte dir hier die aus meiner Sicht drei wichtigsten Faktoren vorstellen, die auch in der wissenschaftlichen Literatur festgestellt wurden.

Dabei werde ich dir zum Einen erklären, warum ein bestimmtes Bewegungsmuster das Schienbeinkantensyndrom begünstigen kann, zum Anderen werde ich dir aufzeigen, wie du deinen Laufstil verändern kannst, um Beschwerden zu lindern und zu verhindern. All diese Informationen findest du natürlich auch in dem Video. Zusätzlich erzähle ich dir dort etwas zu einer sinnvollen Schuhauswahl und zum Thema Einlagen. 

Schienbeinkantensyndrom und Laufstil – Faktor 1: dein Fußaufsatz

Schienbeinkantensyndrom Laufstil Fußaufsatz
Schienbeinkantensyndrom Laufstil Fußaufsatz

Dein Fußaufsatz spielt eine entscheidende Rolle in Bezug auf die Belastung der Unterschenkel-Muskulatur und kann somit die Entwicklung eines Schienbeinkantensyndroms begünstigen. Mit Fußaufsatz meine ich die Position, in der sich dein Fuß befindet, wenn du den Boden berührst. Beim Laufen unterscheidet man grob den Rückfuß-, Mittelfuß- und Vorfußlauf, je nachdem, welcher Teil des Fußes zuerst am Boden aufsetzt. Ungünstig ist dabei ein Fußaufsatz, der sehr weit hinten auf der Ferse (Rückfußlauf) stattfindet und bei dem der Vorfuß sehr weit hochgezogen ist, eine sogenannte vermehrte Dorsalextension (Bild). Warum ist dieser Fußaufsatz ungünstig?

Zum einen sorgt ein Fußaufsatz sehr weit hinten auf der Ferse dazu, dass der erste (initiale) Stoß, der bei Bodenkontakt entsteht, nicht gut über die Muskulatur abgedämpft werden kann. Das führt dazu, dass der Stoß vermehrt über die passiven Strukturen, also auch über den Knochen abgefedert wird, was den Schienbeinknochen vermehrt beansprucht (vereinfacht erklärt) [1]. 

Zum Anderen ist der Weg zum Boden sehr weit, wenn der Fuß bei Bodenkontakt sehr weit in Dorsalextension steht (Fußspitze ist sehr weit hochgezogen). Das bedeutet, dass der Fuß mit einer deutlich schnelleren Geschwindigkeit zu Boden kommt, als wenn der Fuß flacher aufgesetzt wird (rechtes Bild). Da die Muskulatur bei steigender Bewegungsgeschwindigkeit weniger Kraft produzieren kann (Kraft-Geschwindigkeits-Relation), ist es bei deutlich hochgezogenem Fuß für die Muskeln sehr viel schwieriger, die Bewegung zu führen und kontrolliert den Fuß abzusenken. Zum einen wird dadurch die Muskulatur mehr beansprucht, zum Anderen kann es bei fehlender Kraft dann auch zu einem vermehrten Einbrechen des Fußes nach innen, einer sogenannten Pronation kommen [1]. Sowohl die Überbelastung, als auch die vermehrte Pronation des Fußes sind Risikofaktoren für ein Schienbeinkantensyndrom.

Schienbeinkantensyndrom und Laufstil – Faktor 2: vordere Schrittlänge

Mit vorderer Schrittlänge meine ich, wie weit du deinen Fuß vor dem Körperschwerpunkt aufsetzt. Dein Körperschwerpunkt liegt ungefähr auf Bauchnabelhöhe. Wenn dein Fußaufsatz sehr weit vor deinem Körperschwerpunkt passiert, dann kannst du zum einen den Stoß nicht gut über die Muskulatur abdämpfen, was wie oben beschrieben, die passiven Strukturen, wie den Schienbeinknochen vermehrt beansprucht [2], [3]. Zum anderen sorgst du so dafür, dass du deine Vorwärtsbewegung deutlicher abbremst, als wenn du den Fuß weiter unter dem Körper aufsetzt. Das kostet unnötig viel Energie und kann dadurch auch wieder die Muskulatur vermehrt belasten. Daher macht es Sinn, den Fuß so gut es geht unterhalb des Körperschwerpunktes aufzusetzen. Das kannst du erreichen, indem du deine Schritte kleiner wählst und deine Schrittfrequenz erhöhst. 

Wenn es darum geht, deine Laufgeschwindigkeit zu erhöhen, kannst du dies über die Schrittfrequenz und die Schrittlänge tun. Das heißt, du wirst irgendwann an den Punkt kommen, wo du deine Schrittlänge wieder vergrößern möchtest. Hier ist es wichtig Folgendes zu beachten: die Schrittlänge vergrößerst du nicht, indem du den Fuß weiter vorne aufsetzt, sondern indem du deine Hüfte weiter streckst und dadurch dein Schritt hinten im Abdruck größer wird. Dafür brauchst du eine ausreichende Hüftstreckung. Diese kannst du über Übungen aus dem Lauf-ABC verbessern, z.B. mit Schrittsprüngen. Zusätzlich kannst du in deinen Läufen in kurzen Intervallen (anfangs 2 Minuten) darauf achten, deine Hüfte im Fußabdruck zu strecken. Weitere Informationen, wie du neue Laufstil-Elemente richtig in dein Lauftraining einbaust, findest du weiter unten unter „Schienbeinkantensyndrom – Generelles zur Laufstil-Verbesserung“. Wenn dir eine ausreichende Hüftstreckung fehlt, dann kannst du diese über folgende Dehnübung verbessern.

Dehnung der Hüftbeuger

Schienbeinkantensyndrom Hüftbeuger Dehnung
Schienbeinkantensyndrom Hüftbeuger Dehnung
  • Du startest im einbeinigen Kniestand
  • Dein Bauch ist angespannt
  • Du verlagerst das Körpergewicht auf das vordere Bein, dabei achtest du darauf, dass dein Oberkörper aufrecht ist und du die Bauchspannung hälst
  • Deine Lendenwirbelsäule darf kein Hohlkreuz bilden
  • Intensität:
    • du hälst die Dehnung für 60 Sekunden (Dehnschmerz 4 oder 5 auf einer Skala von 0 bis 10, 0 ist keine Dehnung, 10 ist unerträglich)
    • 3 Wiederholungen je Seite

Schienbeinkantensyndrom und Laufstil – Faktor 3: Spurbreite

Die Spurbreite beschreibt, wie weit deine Füße, von vorne betrachtet, auseinander sind wenn sie auf dem Boden aufsetzen. Eine normale Spurbreite bedeutet, dass ca. eine Fußbreite zwischen den Füßen Platz hat. Eine zu enge Spurbreite liegt dann vor, wenn die Füße auf einer gedachten Linie voreinander aufsetzen. Im Extremfall kreuzen die Füße diese gedachte Mittellinie, das nennt man dann Overcrossing. Eine zu enge Spurbreite ist aus mehreren Gründen ungünstig. Zum einen erhöht es die Biegebeanspruchung des Schienbeinknochens [4], [5]. Zum anderen sorgt es dafür, dass eine vermehrte Pronation des Fußes und eine schlechter Stabilisation des Beckens begünstigt wird [4], [5]. Beides sind Risikofaktoren für ein Schienbeinkantensyndrom. 

Schienbeinkantensyndrom Laufstil Overcrossing
Schienbeinkantensyndrom Laufstil Overcrossing

In Bezug auf die Stabilität des Fußes sorgt eine zu enge Spurbreite meist dafür, dass der Fuß vermehrt auf der Außenkante aufgesetzt wird. Das bedeutet, dass der Weg zum Boden sehr weit ist. Wie auch oben schon unter „Fußaufsatz“ beschrieben, sorgt ein weiterer Weg bis zum Boden zu einer erhöhten Bewegungsgeschwindigkeit und somit zu einer vermehrten Beanspruchung der Muskulatur. Das kann dann wiederum eine vermehrte Pronation (ein vermehrtes Absinken des Fußes) begünstigen. An der Hüfte führt eine enge Spurbreite zu einer vermehrten sogenannten Adduktion der Hüfte (der Oberschenkel steht schräg nach innen). Dadurch wird es für die Hüftmuskulatur schwieriger, das Becken zu stabilisieren, was ein vermehrtes Abkippen des Beckens (Hip Drop, siehe Schienbeinkantensyndrom Ursache) begünstigen kann. Dieser Hip Drop kann ebenfalls das Risiko für ein Schienbeinkantensyndrom erhöhen. Um die Spurbreite zu verbessern, kannst du auch wieder in deinem Lauftraining in Intervallen darauf achten die Spurbreite weiter zu wählen. 

Schienbeinkantensyndrom Laufstilveränderung

Generell gilt: Wenn du deinen Laufstil verändern möchtest, solltest du deinen Körper langsam an die neue Bewegung gewöhnen, um eine Überbelastung der Strukturen zu vermeiden. Denn die nun beanspruchten Muskeln müssen sich erst auf die neue Belastungsform einstellen. Das machst du am besten, indem du die Veränderung in Intervallen einführst. Das bedeutet, dass du in deiner normalen Laufeinheit (z.B. 30 Minuten) Intervalle von 2 Minuten einbaust, in denen du die Veränderung des Laufstils durchführst, die du erreichen möchtest (z.B. einen anderen Fußaufsatz). Dieses Intervall machst du 5 Mal (also insgesamt 10 Minuten). Wenn das über drei Einheiten gut geklappt hat, dann erhöhst du den Umfang des Intervalls auf 3 Minuten, und so weiter. Das machst du so lange, bis du deine gesamte Trainingseinheit in dem neuen Laufstil durchführen kannst. 

Jetzt aber zu den Laufstil-Veränderungen bei Schienbeinkantensyndrom: In Bezug auf den Fußaufsatz ist ein flacherer Fußaufsatz günstiger. Dabei sind verschiedene Varianten möglich:

  1. Rückfußlauf: du setzt auf der Ferse auf, der Fuß ist jedoch nicht so weit angezogen (setzt flach auf)
  2. Mittelfußlauf: du setzt mit dem mittleren Bereich des Fußes auf
  3. Vorfußlauf: du setzt mit deinem Vorfuß zuerst auf

Alle drei Varianten sind möglich und helfen dir dabei, die Belastung des Schienbeins zu reduzieren und die Bewegung des Fußes besser zu kontrollieren. Du fragst dich aber sicher, welche dieser drei Möglichkeiten für dich am besten geeignet ist. Das hängt sehr von deinem individuellen Gefühl beim Laufen ab. Jede der drei Möglichkeiten hat Vor- und Nachteile. Probiere alle drei Varianten einmal aus und wähle die Form, mit der du dich am Wohlsten fühlst. Wenn du dazu weitere Fragen hast, dann kontaktiere mich gerne. 

Aktuelle Blogposts zum Schienbeinkantensydrom

Aktuelle Blogposts zum Schienbeinkantensydrom und anderen Themen rund um Gesundheit, Motivation und Fitness findest du im Blog, schau gerne mal vorbei!

Literatur

[1]  W. O. Zimmermann und E. W. P. Bakker, „Reducing vertical ground reaction forces: The relative importance of three gait retraining cues“, Clinical Biomechanics, Bd. 69, S. 16–20, Okt. 2019.

[2] W. B. Edwards, D. Taylor, T. J. Rudolphi, J. C. Gillette, und T. R. Derrick, „Effects of Stride Length and Running Mileage on a Probabilistic Stress Fracture Model“: Medicine & Science in Sports & Exercise, Bd. 41, Nr. 12, S. 2177–2184, Dez. 2009.

[3] H. Hobara, T. Sato, M. Sakaguchi, T. Sato, und K. Nakazawa, „Step Frequency and Lower Extremity Loading During Running“, International Journal of Sports Medicine, Bd. 33, Nr. 04, S. 310–313, Apr. 2012.

[4] S. A. Meardon und T. R. Derrick, „Effect of step width manipulation on tibial stress during running“, Journal of Biomechanics, Bd. 47, Nr. 11, S. 2738–2744, Aug. 2014.

[5] R. A. Brindle, C. E. Milner, S. Zhang, und E. C. Fitzhugh, „Changing step width alters lower extremity biomechanics during running“, Gait & Posture, Bd. 39, Nr. 1, S. 124–128, Jan. 2014.