Patellaspitzensyndrom / Knieschmerzen:
Ursachen
In dieser Kategorie geht es um das sogenannte Patellaspitzensyndrom (auch Läuferknie, Jumpers knee oder runners knee genannt). Dabei ist ein Schmerz gemeint, der an der Kniescheibe, vor allem unterhalb, manchmal aber auch seitlich der Kniescheibe auftritt. Diese Knieschmerzen treten in der Regel während oder nach Belastung auf. Leider ist diese Art von Knieschmerz eine sehr häufige Überlastungsverletzung bei Sportlern, vor allem bei Läufern (daher auch der Name Läuferknie). In diesem Video hier erkläre ich dir die häufigsten und wichtigsten Ursachen für dein Patellaspitzensyndrom. Denn das ist die Basis, damit du auch weißt, an welchen Baustellen du arbeiten solltest. Falls du das Video gerade nicht schauen möchtest, findest du alle Informationen aus dem Video in Kürze zusammengefasst auch weiter unten im Text.
Patellaspitzensyndrom / Knieschmerzen – Tests
Im Video oben habe ich ganz viel zu Ursachen des Patellaspitzensyndroms erzählt. Es ist für dich aber natürlich auch wichtig zu wissen, wie du selbst herausfinden kannst, welche der Ursachen vielleicht auch auf dich zutreffen. Tests dazu findest du hier in diesem Video. In Kurzform erkläre ich dir die Tests natürlich auch weiter unten im Text.
1. Ursache des Patellaspitzensyndroms: dein Bewegungsverhalten
Dein Bewegungsverhalten bzw. dein Bewegungsmuster hat einen maßgeblichen Einfluss auf dein Kniegelenk. Das bedeutet, dass die Art und Weise wie du dich bewegst dafür sorgen kann, dass du Knieschmerzen und ein Patellaspitzensyndrom bekommst. Welche Faktoren in Bezug auf das Bewegungsmuster am Kniegelenk am Häufigsten Probleme machen, erzähle ich dir jetzt.
Dein Knie geht in Richtung X-Bein (Genu valgum)
Wenn dein Kniegelenk in ein X-Bein (oder Genu valgum) geht, dann kommt es zu einer asymmetrischen Belastung der Strukturen am Kniegelenk. Diese asymmetrische Belastung führt häufig dazu, dass bestimmte Teile am Kniegelenk mehr belastet werden als andere, eine Reizung entsteht, die dann Knieschmerzen macht. Eine Möglichkeit, wo das X-Bein herkommen kann, ist eine angeborene X-Stellung des Kniegelenkes. Daran kannst du selbst nichts ändern. Die weit häufigere Ursache liegt aber in deinem Bewegungsmuster und das kannst du sehr wohl verändern. Dabei ist das Kniegelenk oft gar nicht der Auslöser der Knieschmerzen, sondern das Bewegungsmuster wird an anderen Stellen „verbockt“.
Reduzierte Hüft- und Beckenstabilität begünstigt ein X-Bein
Die Stellung deines Beckens und deiner Hüfte beeinflusst dein Kniegelenk sehr stark. Wenn zum Beispiel im Gehen oder Laufen dein Becken vermehrt absackt und dein Oberschenkel nach innen dreht (siehe Bild), dann hat das Knie keine andere Wahl: es folgt der Bewegung nach innen. Dabei kann es sein, dass bei dir beide Faktoren zusammen auftreten, es kann aber auch sein, dass nur dein Oberschenkel nach innen dreht oder nur dein Becken absackt. Je mehr Faktoren zusammen kommen, desto weniger kann dein Kniegelenk das kompensieren und es begünstigt deine Knieschmerzen.
Reduzierte Fußstabilität begünstigt ein X-Bein
Wenn dein Fuß im Gehen oder Laufen vermehrt nach innen einbricht (Knickfuß, Senkfuß oder Knick-Senk-Fuß), dann folgt der Unterschenkel dem Fuß auf seinem Weg nach innen. Da der Unterschenkel auch direkt am Kniegelenk beteiligt ist, sorgt das dafür, dass auch das Kniegelenk mit nach innen rotiert. Das bedeutet, dass nicht nur die Stabilität deiner Hüfte, sondern auch die Stabilität deines Fußes wichtig ist, damit du das Patellaspitzensyndrom entweder gar nicht erst bekommst, oder eben langfristig loswerden kannst.
Wie testest du, ob dein Bewegungsverhalten auffällig ist?
Natürlich willst du jetzt sicher wissen, wie du herausfindest, ob die Art und Weise, wie du dich bewegst, zu deinen Knieschmerzen beiträgt. Dafür habe ich dir eine Reihe von Testbewegungen mitgebracht. Diese sind von der Schwierigkeit her aufsteigend.
- eine beidbeinige Kniebeuge
- eine einbeinige Kniebeuge
- ein einbeiniger Sprung / eine einbeinige Landung
Im Idealfall nimmst du dich mit einer Kamera (Handy reicht völlig) von vorne auf.
Beidbeinige Kniebeuge
- Du stellst deine Füße parallel und schulterweit auf
- Du machst eine Kniebeuge, das heißt du senkst dein Gesäß nach hinten ab, so als wolltest du dich auf einen Stuhl setzen
- Du gehst so weit du kannst nach unten
Das solltest du können:
- du kannst dein Gesäß bis auf Höhe deiner Kniegelenke absenken
- Dabei sind deine Kniegelenke über deinem Fuß, du hast kein X-Bein oder O-Bein (siehe Fotos)
Kannst du das nicht, solltest du definitiv Übungen zur Verbesserung deines Bewegungsmusters machen. Falls du das gut kannst, solltest du den nächsten Test durchführen.
Einbeinige Kniebeuge
- Du stellst dich auf ein Bein
- Du machst eine Kniebeuge, das heißt du senkst dein Gesäß nach hinten ab, so als wolltest du dich auf einen Stuhl setzen
- Du gehst so weit du kannst nach unten
Das solltest du können:
- du solltest während der Übung den Oberkörper gerade halten und keine Ausweichbewegungen:
- im Becken (kippt ab/steht schief)
- im Oberkörper ( neigt sich zur Seite)
- im Knie (geht in ein X- oder O-Bein)
- im Fuß (knickt nach innen ein) sehen
Kannst du das nicht, solltest du definitiv Übungen zur Verbesserung deines Bewegungsmusters machen. Falls du das gut kannst, solltest du den nächsten Test durchführen.
Einbeinige Landung (Sprung)
- Du stellst dich auf ein Bein
- Du springst hoch in die Luft und landest auf dem gleichen Bein
Das solltest nicht passieren (siehe Bilder):
- dein Becken kippt ab/steht schief
- dein Oberkörper neigt sich zur Seite
- dein Knie geht in ein X- oder O-Bein
- dein Fuß knickt nach innen ein
Passiert eines oder mehrere der oben beschriebenen Dinge, solltest du definitiv Übungen zur Verbesserung deines Bewegungsmusters machen. Falls du das gut kannst: Glückwunsch, dein Bewegungsmuster ist super, es ist wahrscheinlich nicht die Ursache für deine Knieschmerzen!
2. Ursache des Patellaspitzensyndroms: deine Kraft
Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor für deine Knieschmerzen ist die Kraft deiner Muskulatur. Dabei geht es unter anderem um die Kraft
- deiner Hüftmuskulatur (vor allem Hüftabduktoren und Außenrotatoren)
- deines Kniestreckers (M. quadriceps femoris)
Bei Menschen mit Patellaspitzensyndrom konnte man in Studien sehen, dass die Hüftabduktoren und Außenrotatoren zu schwach waren (Quelle). Das sind die Muskeln, die wenn das Bein frei hängt, das Bein zur Seite abspreizen bzw. nach außen drehen. Wenn du auf dem Bein stehst, dann sorgen diese Muskeln dafür, dass dein Oberschenkel nicht nach innen dreht und auch dein Becken gerade bleibt. Kommt dir das bekannt vor? Richtig, da habe ich schon beim Thema Hüft- und Beckenstabilität was zu gesagt. Die Kraft der Hüftmuskulatur ist also ein wichtiger Faktor, damit dein Becken und deine Hüfte stabil sind und so dein Knie nicht in eine X-Bein-Stellung geht.
Zusätzlich kommt es bei Patellaspitzensyndrom häufiger vor, dass der Kniestrecker zu schwach ist (Quelle). Die Kniescheibe ist direkt in diesen Muskel eingebettet und der Muskel nutzt die Sehne unterhalb der Kniescheibe als Ansatzpunkt am Unterschenkel. Das ist die Sehne, die bei Patellaspitzensyndrom meistens gereizt ist (sog. Patellasehne). Und wenn eben der Muskel, der diese Sehne speist, zu schwach für die tägliche Belastung ist, kann das zu Schmerzen führen.
Teste deine Kraft
Die Kraft deiner Knie- und Hüftmuskulatur selbstständig zu testen, ist sehr schwierig. Du kannst aber schon Hinweise aus den vorigen Tests zum Bewegungsmuster mitnehmen:
- Ist dein Becken abgekippt? Ist dein Oberschenkel nach innen gekippt? Wahrscheinlich ist auch die Kraft deiner Hüftmuskulatur nicht optimal
- Hat dein Knie stark gezittert in der Landung? Konntest du nur wenige Wiederholungen der Kniebeuge machen, weil deine Oberschenkelmuskulatur dann nicht mehr wollte? Die Kraft deines Kniestreckers (Quadriceps) ist wahrscheinlich nicht optimal
Natürlich sind das nur Hinweise. Aber mehr Kraft wird dir in keinem Fall schaden. 🙂 Also wenn du im Bewegungsmuster Auffälligkeiten siehst, kannst du auch deine Kraft mit trainieren. Möchtest du es ganz genau wissen, dann empfehle ich dir, einen Test in einem Bewegungslabor zu machen. Da bekommst du ganz objektiv heraus, ob du ein Kraftdefizit hast.
3. Ursache des Patellaspitzensyndroms: deine Muskelspannung und Beweglichkeit
Wie entstehen eine erhöhte Muskelspannung oder eine Einschränkung der Beweglichkeit? Dafür gibt es viele Ursachen. Eine Ursache für eine erhöhte Muskelspannung ist ein ungünstiges Bewegungsmuster (siehe oben), welches dazu führt, dass einzelne Muskeln überlastet werden. Ein weiterer Grund kann eine zu schwache Muskulatur sein. Denn wenn deine Muskeln der täglichen Belastung nicht gewachsen sind, versuchen sie trotzdem, dich durch deinen Alltag zu bringen. Und das führt zu einer Überbeanspruchung, der Muskel verkrampft.
Einschränkungen in der Beweglichkeit können verschiedene Ursachen haben. Eine Möglichkeit ist eine tatsächliche Einschränkung des Gelenkes. Das kann zum Beispiel durch eine vorangegangenen Verletzung passieren. Zusätzlich kann eine Bewegungseinschränkung durch verkürzte Muskulatur entstehen. Warum verkürzt Muskulatur eigentlich? Nach dem Gehirn sind unsere Muskeln der Haupt-Energieverbraucher in unserem Körper. Und da der Körper schlau ist, versucht er so wenig wie möglich Energie zu verschwenden. Dementsprechend baut er alles ab, was er nicht braucht. Deshalb werden unsere Muskeln auch weniger, wenn wir keinen Sport machen und eben auch kürzer, wenn wir nicht den vollen Bewegungsradius nutzen, den die Muskulatur eigentlich hergeben würde. Auch hier bestimmt wieder das Bewegungsverhalten, welche Muskeln häufig verkürzen.
Patellaspitzensyndrom: diese Muskeln neigen zu erhöhter Spannung
Bei Patellaspitzensyndrom sind die folgenden Muskelgruppen häufig von zu viel Spannung betroffen:
- der Kniestrecker (M. quadiceps femoris)
- die Gesäßmuskulatur (Gluteale Muskelgruppe, v.a. Abduktoren), die dann in den Tractus iliotibialis einstrahlt
- die Oberschenkelrückseite (Hamstrings oder ischiocrurale Muskulatur)
Diese erhöhte Spannung kann dann wiederum auch die Schmerzen an deinem Kniegelenk begünstigen und verstärken. Wichtig ist aber: die erhöhte Spannung ist in der Regel eine Folge aus deinem Bewegungsverhalten oder deiner mangelnden Kraft. Deshalb macht es Sinn, dass du in der Therapie nicht nur die Spannung in der Muskulatur reduzierst (das lindert kurzfristig den Schmerz), sondern auch an den Ursachen für die erhöhte Muskelspannung arbeitest (damit du langfristig schmerzfrei wirst).
Patellaspitzensyndrom: diese Muskeln neigen zu Verkürzung
Bei Patellaspitzensyndrom können die folgenden Muskeln durch Verkürzung zu deinem Knieschmerz beitragen:
- der Kniestrecker (M. quadiceps femoris)
- die Oberschenkelrückseite (Hamstrings oder ischiocrurale Muskulatur)
- Die Wadenmuskulatur
Vor allem bei der Wadenmuskulatur werde ich häufig gefragt, wie da der Zusammenhang ist. Wenn deine Wadenmuskulatur verkürzt ist, dann verhindert sie, dass sich im Gehen und Laufen dein Unterschenkel nach vorne bewegen kann. Diese Bewegung ist aber wichtig, damit du einen Schritt machen kannst. Damit du trotzdem gehen kannst, nutzt dein Körper einen anderen Weg: der Fuß kippt nach innen (Knickfuß, Senkfuß). Und das hatten wir beim Bewegungsmuster schon mal: das ist ungünstig für das Kniegelenk. Du siehst, alles hängt irgendwie miteinander zusammen.
Teste deine Muskellänge
Kniestrecker (M. quadriceps femoris)
- Stelle dich auf ein Bein, wenn du es brauchst, dann halte dich irgendwo fest
- greife dein Sprunggelenk und ziehe deinen Fuß so weit du kannst an dein Gesäß heran
- wichtig: deine Oberschenkel sollten parallel zueinander sein UND du solltest deine Bauchspannung halten, damit du nicht ins Hohlkreuz gehst
Du solltest in der Lage sein, deine Ferse an dein Gesäß zu bekommen. Wie du auf den Bilder siehst, kann ich das auch nicht ganz. Ich sollte also so wie du, wenn du das nicht schaffst, Übungen machen, um die Dehnfähigkeit zu verbessern.
Oberschenkelrückseite (Hamstrings, Ischiocrurale Muskulatur)
- Setze dich in den Langsitz
- Halte den Rücken gerade
- beuge dich in der Hüfte nach vorne so weit du kannst Richtung Füße, ohne den Rücken rund zu machen
Du solltest in der Lage sein, mindestens aufrecht, gerade zu sitzen, sodass dein Oberkörper und deine Beine einen 90° Winkel bilden. Kannst du das nicht (musst den Rücken rund machen oder dich hinten abstützen), solltest du die Hamstrings dehnen.
Wadenmuskulatur (M. triceps surae)
- Stelle dich in eine Schrittstellung
- Verlagere das Gewicht auf das vordere Bein und beuge das vordere Knie
- Gehe so weit du kannst nach vorne ohne
- dass du deine hintere Ferse anhebst
- dass du dein Becken drehen musst
- du deinen Fuß aufdrehst
- du deinen Fuß auf die Innenkante kippst (Bilder)
Deine Kniescheibe sollte mindestens bis auf Höhe der Spitze deines großen Zehs nach vorne kommen. Kannst du das nicht, solltest du deine Wadenmuskulatur dehnen. Um dein Testergebnis leichter sichtbar zu machen, kannst du einen Zollstock benutzen. Wie das geht, zeige ich dieser Seite zum Schienbeinkatensyndrom.
Patellaspitzensyndrom – wie geht es jetzt weiter?
Du weißt jetzt, an welchen individuellen „Baustellen“ du arbeiten solltest. Geeignete Übungen findest du auf den folgenden Seiten – klicke einfach auf die Stufe, die bei dir Verbesserungsbedarf hat. Sind das bei dir mehrere Dinge, so fange am Besten mit der niedrigsten Stufe an und arbeite dich dann weiter hoch – von leicht nach schwer.
Was kannst du nun mit deinem Patellaspitzensyndrom / Knieschmerzen tun?
Was kannst du nun mit einem Patellaspitzensyndrom als nächstes tun? In der Übersicht sind alle Aspekte der Knieschmerzen verkürzt dargestellt. Im nächsten Schritt kannst du nun entweder
- die Ursachen deines Patellaspitzensyndroms heraus finden
- Dehnübungen für die Verbesserung deiner Mobilisation durchführen
- oder deine Hüfte aktivieren
- deinen Quadriceps aktivieren und anschließend zu kräftigen / stärken
- dein Bewegungsmuster in der Hüfte verbessern
- deine Fußstabilität verbessern oder
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