Du bist schief! Oh nein!
„Eieiei, das ist aber ein ordentlicher Beckenschiefstand. Kein Wunder, dass Sie Rückenschmerzen haben“.
“ Die Wirbelsäule ist aber ganz schön schief. Da sind Schmerzen vorprogrammiert.“
Schon mal gehört? Was hat das in dir ausgelöst? Bist du damit cool umgegangen, oder hast du schon ein mulmiges Gefühl im Bauch bekommen? Denn dieser Satz „du bist schief“ ist ein waschechter Nozebo. Heute klären wir, was das ist und warum das so gefährlich ist.
Was ist ein Nozeo?
Ein Nozebo ist etwas, das deiner Gesundheit potenziell schaden kann. Klassischerweise sind das Aussagen, die dein Arzt, deine Therapeutin oder jemand aus deinem Umfeld tätigt, die dann einen negativen Einfluss auf dich haben. Die Auswirkung kann ganz unterschiedlich sein: z.B. kann diese Aussage dazu führen, dass du eine eigentlich wirksame Therapie aus Angst nicht wahrnimmst, dass du in eine depressive Verstimmung rutschst, dass du bestimmte Bewegungen nicht mehr durchführst und dadurch deiner Gesundheit schadest. Du siehst also, ein Nozebo hat unglaubliche Macht. Und daher ist es mir eine Herzensangelegenheit, darüber aufzuklären.
Alles was ich hier schreibe findest du übrigens auch in diesem Video. Wenn du also lieber schaust und zuhörst, dann gerne! Ansonsten lies einfach weiter. 😉
Du bist schief! Das Nozebo-Potential
Welche Punkte sorgen dafür, dass diese Aussage ein absoluter Nozebo ist?
- Er impliziert, dass mit dir etwas nicht in Ordnung ist.
- Er ist absolutistisch, also er sagt quasi: du bist schief, das ist jetzt so!
- Er impliziert, dass dieses „schief sein“ tatsächlich die Ursache für deine Beschwerden ist.
- Er deutet damit auch an, dass du deine Beschwerden nur loswerden kannst, wenn du nicht mehr schief bist.
- Wenn er so für sich genommen allein steht, lässt er dich komplett ohne Hilfe und Vorschläge zurück lässt, wie du das Ganze denn vielleicht loswerden kannst.
Potenzielle Probleme damit
Das Problem dabei ist, dass wenn wir diese fünf Faktoren zusammen nehmen, dann kann das dazu führen, dass du dich hilflos ausgeliefert fühlst. Weil du denkst: Hey ich bin schief, das ist die Ursache für meine Schmerzen, wenn ich das nicht mehr loswerde, dann werde ich immer Schmerzen haben, ich weiß aber nicht wie!
Das muss natürlich nicht eintreffen, es kann aber. Und deswegen finde ich diesen Satz so schwierig und er gehört meiner Meinung nach für sich isoliert genommen einfach gestrichen. Denn wenn man mal in die Studienlage guckt (und wir sprechen über Rückenschmerzen), dann ist die Studienlage dazu sehr widersprüchlich. Es gibt manche Studien die herausfinden konnten, dass Menschen die Rückenschmerzen haben einen stärkeren Schiefstand des Beckens haben als solche ohne. Es gibt aber auch
andere Studien die sagen: da gibt es überhaupt keine Zusammenhang. Und selbst wenn diese Studien einen Zusammenhang finden konnten, dann sind das oft keine prospektiven Studien. Die Schlussfolgerung daraus ist einfach nur: da gibt es einen Unterschied. Und das heißt, man kann überhaupt nicht sagen, ob das „schief sein“ jetzt eine Ursache für den Rückenschmerz ist, oder ob es die Folge – also vielleicht ein Kompensationsmechanismus ist, den Körper schlauerweise macht, um z.B. vielleicht in dem Moment weniger Schmerzen zu haben. Das ist damit überhaupt nicht gesagt.
Und der zweite Punkt ist – und den ich finde ich fast noch viel wichtiger:
fast niemand ist total symmetrisch was den Beckenstand oder den Schultergürtelstand angeht. Denn man sagt so schön: „form follows function“. Das heißt, das was du in deinem Alltag tust, beeinflusst wie du aussiehst. Und wenn du jetzt zum Beispiel Rechtshänder oder Linkshänder bist sorgt dafür, dass du vielleicht ein bisschen asymmetrisch wirst, weil du mit der einen Hand mehr arbeitest als mit der anderen. Bei Sportarten ist es noch mal deutlicher. Schau dir Menschen an die Schlagsportarten, z.B. Volleyball oder Wurfsportarten, z.B. Handball spielen. Die sind einfach dadurch asymmetrisch, dass sie diese Sportart betreiben. Und die haben nicht alle Schmerzen.
Das heißt es muss nicht zu Schmerzen führen wenn du schief bist. Das heißt nicht, dass es vielleicht nicht bei dir und bei deinen Rückenschmerzen eine Rolle spielen kann. Aber wenn, dann ist es ein Baustein in einem riesigen Puzzle. Dann kann es sein, dass es vielleicht Sinn macht auch an der Muskulatur zu arbeiten, um da vielleicht die z.B. schwächere Seite zu trainieren. Aber es ist eben nur ein Baustein und es ist nicht der entscheidende und der alles bestimmende Faktor der, wenn du den nicht angehst, dann dazu führt, dass du immer Schmerzen haben wirst.
Denn: Dein Körper ist robust und stabil. Er kann sich an fast alles anpassen und er kann sich vor allen Dingen auch verändern. Das heißt wenn du entscheidest Veränderungen in deinen Lebensstil, in Bezug auf den Sport den du machst, in der Art wie du dich bewegst, in der Art wie du dich ernährst – wenn du entscheidest da was zu verändern,
dann wird dein Körper sich verändern.
Ich möchte, dass du eine Message aus diesem Post mitnimmst: Dein Körper ist robust und anpassungsfähig. Und du hast das Potential, die Veränderungen einzuleiten, die du sehen möchtest. Und ob du schief bist oder nicht, bestimmt nicht darüber, ob du Schmerzen hast oder nicht.
Du hast Fragen dazu oder willst deine Gedanken zu dem Thema loswerden? Immer her damit! Schreibe es gerne in die Kommentare, ich freue mich darauf.